Veranstaltung

Vorhersage und Steuerung des Verhaltens durch Algorithmen

Gerd Gigerenzer (Berlin)

19:00-21:00
Berliner Seminar Recht im Kontext
Humboldt-Universität zu Berlin
Juristische Fakultät, Raum: 213
Unter den Linden 9 10099 Berlin

 


Audioaufnahme der Veranstaltung


Die Versprechungen der digitalen Revolution sind allgegenwärtig. Algorithmen werden bald so gut wie allwissend sein und wir Menschen können uns zurücklehnen und die Algorithmen entscheiden lassen. Diese werden die Diagnose und Behandlung von Krebs revolutionieren, die Wahrscheinlichkeit bestimmen, dass ein Angeklagter rückfällig wird und demnächst selbstfahrende Autos steuern. Online Dating-Agenturen werden uns den richtigen romantischen Partner auswählen. Amazon soll bald unsere Wünsche perfekt vorhersagen und uns Ware senden bevor wir sie bestellen, und die Polizei wird zukünftig Straftaten treffsicher vorhersagen und Personen verhaften bevor sie eine Straftat begehen oder planen. Big Data Analytics wird wissen, welche politische Partei wir wählen werden und auch gleich für uns wählen. 
Alle diese kommerziellen Algorithmen sind Geschäftsgeheimnisse. Wir wissen kaum, welche Daten sie von uns sammeln, wie sie diese zu einer Vorhersage zusammenführen und welchen Bias sie haben. Politiker, Vorstände und Journalisten sind meist enthusiastisch über Digitalisierung, können aber meist nicht beurteilen, was ihnen versprochen wird. In diesem Vortrag befasse ich mich mit einigen Fragen. Warum können Algorithmen Schach, Go und Jeopardy! die besten Experten besiegen, aber zugleich in anderen Bereichen wie der medizinischen Diagnostik versagen, wie etwa IBMs Watson? Wie verändern sich Kognition, Selbstkontrolle und Werte wie Privatsphäre durch soziale Medien? Soll der Gesetzgeber die Transparenz aller sensitiver Scoring-Algorithmen (wie Schufa) für die Öffentlichkeit herstellen? Bedroht die Steuerung des Verhaltens durch soziale Kreditsysteme unsere demokratischen Werte? Und was können Algorithmen wirklich? 

Gerd Gigerenzer ist Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Er war vorher u. a. Direktor des Zentrums „Adaptive Behavior and Cognition“ (ABC) am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und am Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung, München, Professor an der University of Chicago und John M. Olin Distinguished Visiting Professor an der School of Law der Universität von Virginia. Darüber hinaus ist er Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences und der American Philosophical Society. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der 100 einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.