Veranstaltung

Ungewissheit und die Konsequenzen für Recht und Vertragsgestaltung

Barbara Dauner-Lieb (Köln) 

19:00–21:00
Berliner Seminar Recht im Kontext


Die Zukunft ist ungewiss, das ist fast schon banal, das wusste man schon lange vor Globalisierung, Digitalisierung, Disruption und Corona. Dies wird freilich in der Gesetzgebung und bei der Vertragsgestaltung häufig nicht angemessen berücksichtigt. Noch immer gilt als Ideal die juristische Fiktion, mögliche zukünftige Probleme umfassend und rechtssicher zu erfassen, also für alle derzeit denkbaren Fälle vorgefertigte Konfliktlösungsmodelle bereitzustellen. Für langfristig angelegte Verträge hält das Privatrecht eine Reihe von richterrechtlich entwickelten und/oder kodifizierten Instrumenten bereit, um diese Verträge an veränderte Umstände anzupassen: Ergänzende Vertragsauslegung, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Konstruktion von Treuepflichten, richterliche Inhaltskontrolle. Diese Instrumente beruhen aber ihrerseits auch auf der Vorstellung, dass Rechtssicherheit ein hohes Gut und bei der Vertragsgestaltung im Regelfall unbedingt anzustreben und im Regelfall auch tatsächlich zu erreichen ist. Korrektur- und Anpassungsinstrumente stellt die Rechtsordnung nur für den Ausnahmefall zur Verfügung, während im Übrigen das Prinzip der Vertragstreue gilt (pacta sunt servanda). Anhand von Beispielen aus dem Gesellschaftsrecht, dem Baurecht und dem Ehegüterrecht wird der Vortrag die Frage aufwerfen, ob diese Instrumente dem Problem der Ungewissheit ausreichend gerecht werden und alternative Gestaltungsoptionen diskutieren.

Barbara Dauner-Lieb hat in Köln studiert und in Tübingen bei Wolfgang Zöllner zum Verbraucherschutz als Sonderprivatrecht promoviert. Sie hat sich in Mainz bei Horst Konzen zu Unternehmen in Sondervermögen habilitiert. Ihre Berufslaufbahn begann sie in der Praxis als Leiterin der Rechtsabteilung eines börsennotierten Familienunternehmens. Heute ist sie Direktorin des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln sowie nach mehreren Jahren nebenamtlicher Tätigkeit im Gesellschaftsrechtssenat des OLG Köln Richterin am Verfassungsgerichtshof NRW. Sie war mehrere Jahre Prorektorin für Internationales und Öffentlichkeitsarbeit der Universität zu Köln und ist jetzt Mitglied des Universitätsrats der Universität Wien. Barbara Dauner-Lieb wurde vom Landtag NRW am 19. Mai 2021 zur Präsidentin des VerfGH NRW gewählt.