Evaluationsbericht – Recht im Kontext: Eine „konstruktive Irritation des rechtswissenschaftlichen Mainstreams“ 

Der Wissenschaftliche Beirat des Wissenschaftskollegs zu Berlin hat im Jahr 2017 eine externe Kommission – bestehend aus Marietta Auer (Universität Gießen), Pascale Cancik (Universität Osnabrück), Daniel Halberstam (University of Michigan), Klaus Hoffmann-Holland (Freie Universität Berlin) und Christopher McCrudden (Queen´s University Belfast/University of Michigan) – gebeten, den Forschungsverbund Recht im Kontext zu evaluieren, der bis zum Sommer 2017 am Wissenschaftskolleg verortet war. Die Evaluationskommission sollte einschätzen, inwieweit die vom Forschungsverbund selbst definierten Ziele bis zu diesem Zeitpunkt erreicht wurden. Darüber hinaus sollten Empfehlungen für die Weiterführung des Projekts an seinem neuen Standort an der Humboldt-Universität zu Berlin gegeben werden.

Ziele

Der Evaluierungsbericht sieht die selbstgestellten Ziele von Recht im Kontext darin, die Rechtswissenschaft in dreierlei Hinsicht neu zu verorten: 1) dazu beizutragen, die Rechtswissenschaft stärker interdisziplinär und international auszurichten, 2) sich an den wissenschaftspolitischen Debatten über die juristische Ausbildung zu beteiligen und 3) auf exemplarische Art eine alternative Vision der juristischen Ausbildung oder der Rechtswissenschaft zu institutionalisieren. Das Projekt hatte sich damit – so die Kommission – nichts weniger vorgenommen, als einen Diskursraum zu schaffen, der es erlaubt, zu einem bereicherten Rechtsverständnis unter Juristinnen und Juristen und einem besseren Verständnis für das Recht unter Nichtjuristinnen und –juristen zu kommen. Dabei ging es darum, „noch stärker internationale Perspektiven in das deutsche Rechtswesen zu integrieren; aufzeigen, warum ein eher kontextueller Ansatz statt ein rein aus der inneren Dogmatik entwickelter fruchtbar ist; sich in die Debatte über die Art und Weise der juristischen Lehre in Deutschland einmischen und es unterstützen, dass sich interdisziplinäre Forschung stärker mit Rechtsfragen auseinandersetzt.“

Instrumente und Wirkung

Um diese Ziele zu erreichen, hat das Projekt nach Feststellung der Kommission ein geeignetes Portfolio an Instrumenten zusammengestellt, welche die Möglichkeit boten, alternative Formen der Rechtswissenschaften vorzustellen und diese auch zu erproben. Die Berliner Seminare erreichten ein Publikum, das regelmäßig Themen diskutierte, die über die Fragen der Rechtsdogmatik weit hinausgingen. Die Publikationsreihe fungiert laut Evaluierungskommission dabei als ergänzender, bleibender „Wissensfundus“, um auch den wissenschaftlichen Mainstream zu erreichen. Der von Recht im Kontext unterstützte Verfassungsblog sei nicht nur „einer der interessantesten und am häufigsten gelesenen Foren für Verfassungsrecht und -politik“, sondern auch ein „must read“ für diejenigen, die sich für Fragen des öffentlichen Rechts und für Verfassungspolitik in Europa interessieren oder beruflich damit befasst sind. Die Konferenzen, die von Recht im Kontext bis dato mitorganisiert wurden, sind „thematisch zeitgemäß und enorm anspruchsvoll“. Das Zusammenbringen von Expertinnen und Experten garantiere nicht nur einen „stimulierenden und lebhaften Austausch“, sondern in der Auseinandersetzung mit den ausgewählten Themen auch einen „spürbaren intellektuellen Fortschritt“. 
Die Evaluationskommission kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Projekt als Knotenpunkt innovativen und inspirierenden Rechtsdenkens etabliert habe. Das Projekt erfülle danach seine Rolle, als „konstruktive Irritation auf den rechtswissenschaftlichen Mainstream zu wirken“. Seine Aktivitäten würden nicht nur in der deutschen akademischen Landschaft wahrgenommen, auch international sei spürbar Wirkung erzielt worden.  Der Bericht kommt zum Schluss, dass es dem Projekt gelungen sei, „sich als Herzstück des vorgeschlagenen Wandels in den deutschen Rechtswissenschaften zu positionieren“, der in ähnlicher Form vom Wissenschaftsrat empfohlen worden ist.

Zukunft

Das Projekt soll auf Empfehlung der Evaluierungskommission auch in Zukunft seine Bemühungen, „die institutionelle Praxis der deutschen Rechtswissenschaft herauszufordern“ fortsetzen und dazu in einer bestimmten Form selbst zu einer Institution heranwachsen. Die Zukunft von Recht im Kontext sieht die Kommission dabei nicht nur in der Weiterführung der Konferenzveranstaltungen und der Verstärkung des intradisziplinären Austauschs zwischen Öffentlichem Recht, Privat- und Strafrecht, sondern auch in den stärkeren Bemühungen um die Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von anderen Universitäten und Institutionen in ganz Deutschland. 
Die Evaluierungskommission empfiehlt darüber hinaus die Einrichtung eines Masterstudiengangs. Angesichts der Tatsache, dass Berlin ein attraktiver Standort sei, der sowohl über zwei rechtswissenschaftliche Fakultäten als auch über die kritische Masse an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Gewährleistung der erforderlichen Lehrtätigkeiten verfüge, könne auf diese Weise das Ziel der Institutionalisierung einer neuen Art rechtswissenschaftlicher Lehre erreicht werden.
Recht im Kontext hätte während seines kurzen Bestehens bereits „eine bedeutende Rolle bei der enormen Aufgabe gespielt, einen Wandel in der deutschen Rechtswissenschaft zu bewirken.“ So seien insbesondere die jüngeren Jahrgänge zu verstärkt globalen, interdisziplinären und auf Selbstreflexion ausgerichteten Diskussionen angeregt worden. Recht im Kontext habe damit die „Debattenkultur in der Rechtswissenschaft entscheiden geprägt“ und werde deshalb „einen bleibenden Effekt auf wissenschaftspolitische Entscheidungen haben.“